Obwohl seit Jahren die Kriminalitätsrate und die Zahl der Todesopfer durch Terroranschläge sinkt, fordern Politiker*innen beständig den Ausbau von Massenüberwachung. Hierdurch soll einem „Gefühl“ der Unsicherheit der Menschen abgeholfen werden. Aktuell im Trend: Videoüberwachung mit Gesichtserkennung. Getestet wurden die Systeme bereits am Berliner Bahnhof Südkreuz.

Warum Gesichts­erkennung verbieten?

Falsch­erkennung

Die Systeme funktionieren mangelhaft. In dem Test am Südkreuz wurde ca. jeder 200. Mensch fälschlich als gesuchte Person erkannt.[1] In der Praxis würde das an einem Bahnhof wie dem Berliner Südkreuz dazu führen, dass täglich 600 Menschen fälschlich als gefährliche Person erkannt werden. Diese Menschen wären unangenehmen Kontrollen ausgesetzt. Die Polizei wäre von Fehlalarmen überlastet.

Einfache Umgehung

Dreht eine gesuchte Person ihr Gesicht nur um 15 Grad von den Kameras weg, wird sie von den Systemen nicht mehr erkannt.[2] Die Erkennung lässt sich auch durch das teilweise Bedecken des Gesichts, z.B. mit einem Schal oder einer Mütze, vereiteln. Wer eine Straftat plant, kann sich einfach vor Erkennung schützen.

Diskriminierung

Gesichtserkennung diskriminiert Frauen, Kinder und People of Colour. Bei diesen Gruppen liegen die Falscherkennungsraten signifikant höher als bei weißen mitteleuropäischen Männern.[3] Das liegt daran, dass die hiesigen Systeme großteils mit Bildern von weißen, männlichen Gesichtern trainiert werden. Die negativen Folgen treffen also besonders Gruppen, die ohnehin schon Benachteiligungen ausgesetzt sind.

Gefahr für die Demokratie

Selbst wenn Gesichtserkennung perfekt funktionieren würde: Sie wäre dann in der Lage, ganze Stadtgebiete zu überwachen und die Identität von Zehn- oder Hunderttausenden von Menschen gleichzeitig zu erfassen. Technisch möglich wäre das staatliche Erstellen von Bewegungsprofilen.

Darunter leiden Freiheitsrechte, individuelle Entfaltung und politische Teilhabe. Wer sich im öffentlichen Raum ständig von einer intelligenten Kamera abgescannt und analysiert fühlt, verspürt einen Überwachungsdruck. Selbsteinschränkung und aufgezwungene „Konformität“ ist die Folge.[4] In einer gesunden, pluralistischen Demokratie ist es aber wichtig, dass sich Menschen bei ihrer Meinungsbildung, individuellen Entfaltung und politischen Partizipation nicht beobachtet fühlen.

Missbrauchs­potential

Gesichtserkennung birgt enormes Missbrauchspotential – sowohl für einzelne unberechtigt Handelnde als auch für etwaige zukünftige autoritäre Regierungen. Zivilgesellschaftliches Engagement gegen eine Regierung, die exakt weiß, wer wann wo ist, ist nur schwer denkbar. Es liegt in der historischen Verantwortung Deutschlands, keine Infrastruktur aufzubauen, die es ermöglicht, die gesamte Gesellschaft zu kontrollieren.

Das Bewusstsein für die Risiken wächst: Zuerst in San Francisco[5], später in weiteren Städten Kaliforniens sowie Massachusetts, USA, wurde die polizeiliche Verwendung von Gesichtserkennungssystemen verboten.

Unsere Forderungen

1.

Ein Verbot automatischer Gesichtserkennung in der Öffentlichkeit durch die Polizei oder andere staatliche Akteure.

2.

Wirksames Vorgehen gegen Terroranschläge durch soziale Präventions- und Aussteigerprogramme statt ungezielter Massenüberwachung.

Unterstützende Organisationen

Testimonials